Alsterdampfer „Winterhude“

Im Jahre 1879 lief der für die Vereinigten Alsterschiffer gebaute Dampfer „Winterhude“ auf der Hamburger Reiherstiegwerft vom Stapel. Der rund 20 Meter lange und 4,2 Meter breite Schraubendampfer hatte einen Tiefgang von 1,2 Meter sowie eine Tragfähigkeit von 49,4 Tonnen. Die Leistung der Dampfmaschine betrug 50 PS.

Die „Winterhude“ war Exemplar einer großen Serie von 28 Schraubendampfern, die die Vereinigten Alsterschiffer und der Kaufmann H. E. Justus während der 60er bis 90er Jahre des 19. Jahrhunderts bauen ließen, um das zu jener Zeit rasant steigende Verkehrsbedürfnis auf der Alster bedienen zu können. Der Dampfschiffverkehr leistete einen wichtigen Beitrag zur verkehrlichen Erschließung der alsternahen Vororte und späteren Stadtteile während der Gründerzeit. Beide auf der Alster aktiven Reedereien bedienten drei Radial-, zwei Rund- und eine Fährlinie nach einem gemeinsamen Fahrplan.

Als im Jahre 1887 der Kaufmann Otto Wichmann beide Unternehmen zusammenfügte, zählte die Alsterflotte 35 Dampfer, die in den Jahren vor dem 1. Weltkrieg unter der Flagge der Alsterdampfschiffahrtsgesellschaft m. b. H. jährlich rund 10 Millionen Fahrgäste beförderten. Bis zu Eröffnung der Hochbahn-Ringlinie im Jahr 1912 waren die Alsterdampfer ein unverzichtbarer Träger des Personennahverkehrs in Hamburg.

Der Dampfer „Winterhude“ wurde 1904 seiner ersten grundlegenden Instandsetzung unterzogen und erschien danach mit dem neuen Namen „Neptun“ auf der Alster. Zehn Jahre später erfolgte 1914 auch für Dampfer „Neptun“ der Umbau zum „Glattdecker“. Dieser Schiffstyp prägte das Bild der Alsterflotte in der Zeit zwischen den Weltkriegen und ist erst mit der Rekonstruktion des Alsterdampfers „St. Georg“ 1994 auf die Alster zurückgekehrt. 1920 erwarb die Hamburger Hochbahn AG mit dem Betrieb der Alsterschiffahrt auch den Dampfer „Neptun“ und benannte ihn im März 1936 in „Hohenfelde“ um.

Im Zuge der Modernisierung der Alsterflotte, die 1935 mit dem Bau erster Motorschiffe einsetzte, wurde der Dampfer „Hohenfelde“ 1941 nach Lübeck verkauft und als „Herrenwyk“ auf der Trave eingesetzt. 1947 mit einem Deutz-Dieselmotor ausgestattet war das Schiff weitere vier Jahre in Fahrt bis es 1951 an die Verkehrsbetriebe der Stadt Mülheim/Ruhr verkauft wurde. Zuvor wurden die bis dahin noch hölzernen Aufbauten des Schiffes auf der Travewerft Ebschner & Gabler in Lübeck aus Stahl erneuert.

Unter dem Namen „Mülheim a. d. Ruhr“ – ab 1954 als „Bottrop“ – war das Schiff im Liniendienst auf der Ruhr und für Rundfahrten im Duisburger Hafen eingesetzt. 1973 erwarb die Mülheimer Rudergesellschaft das zur Ausmusterung anstehende Schiff und nannte es „Möwe“.

Als schwimmendes Vereinshaus des Yachtclubs Mülheim lag der ehemalige Alsterdampfer bis zur Übernahme durch den Verein Alsterdampfschiffahrt e.V. im Mai 1998 fest vertäut im Mülheimer Nordhafen oberhalb der Raffelberg-Schleuse.

Unmittelbar nach der Übernahme durch den Verein Alsterdampfschiffahrt e.V. wurde das Schiff zur Besichtigung auf die Neue Ruhrorter Schiffswerft nach Duisburg geschleppt und anschließend an Land gestellt. Die Besichtigungen ergaben einen guten Erhaltungszustand der Spanten und Schotten des Schiffsrumpfes. Der intakte jedoch leider nicht historische Decksaufbau gewährleistete einen stets trockenen Innnenraum des Schiffes. Die Stahlplatten der Außenhaut – mit großflächigen Dopplungen belegt – weisen jedoch aufgrund der langen Liegezeit im Wasser erhebliche Korrosionen auf.

Der vollständig und nahezu unverändert aus dem Baujahr 1879 erhaltene Schiffsrumpf bietet die Perspektive einer originalgetreuen und denkmalgerechten Restaurierung unter Anwendung alter Fertigungstechniken. Die Decksaufbauten können auf der Grundlage von noch erhaltenen Plänen der Reiherstiegwerft und des umfangreichen Bildarchivs des Vereins Alsterdampfschiffahrt detailgetreu aus Holz nachgefertigt werden.

Zur Vorbereitung einer detaillierten Projektierung wurde der historische Schiffsrumpf im Mai 2001 zunächst auf das Gelände der Navcon GmbH nach Peenemünde verbracht. Die Zusammenarbeit mit der Navcon GmbH kam jedoch nicht zustande. So wurde der Schiffsrumpf im Oktober 2008 auf das Gelände der Schiffswerft in Dresden-Laubegast verlegt, von wo aus er aufgrund der Insolvenz der Werft im Juni 2013 zur Hitzler-Werft nach Lauenburg/Elbe transportiert wurde.

Als Ergänzung zum Dampfer „St. Georg“, der als „Glattdecker“-Typ die Epoche der 20er und 30er Jahre repräsentiert, empfiehlt sich die Wiederherstellung des ersten Bauzustandes der Jahre 1879 bis 1904 als „Halbsalon“-Dampfer. Für den Antrieb ist eine Zweifach-Expansion-Dampfmaschine mit „Klugscher-Umsteuerung“ per Handhebel mit einer Leistung von 45 PS zur Verwendung vorgesehen, die durch einen kohle- bzw. koksbefeuerten Einflammrohr-Schiffskessel mit Dampf versorgt wird und sich bereits im Vereinsbesitz befindet.

Bauartbedingt wird der Dampfer „Winterhude“ vorrangig zu öffentlichen Rund- oder Streckenfahrten auf der Alster eingesetzt werden können. Als optimale Nutzungsvariante strebt der Verein Alsterdampfschiffahrt die Einrichtung einer Museumslinie auf der Alster an. Der Einsatz im Linienverkehr bietet die Möglichkeit einer authentischen und museumsgerechten Darstellung des historischen Schiffsbetriebes auf der Alster.

 

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